Stopp tiggeforbudet!


Gjest

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2014-12-08 07:30

"Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda
Berlin, 12. Julli 1933
An den Herrn Reichsminister des Inneren
Betrifft: Bekämpfung des Bettelunwesens

Von allen bisher zu den Vorarbeiten der Winterhilfe 1933 zugezogenen Stellen ist übereinstimmend der Meinung Ausdruck gegeben worden, daß Voraussetzung für ein Gelingen der Winterhilfe die Bekämpfung des übermäßig anwachsenden Bettelunwesens sei. Gerde die noch leistungsfähigsten und gebefreudigsten Bevölkerungsteile werden z.Zt. von den unwürdigsten Elementen, zum Teil ganz wohl situierten berufsmäßigen Bettlern derart stark belastet, daß ihre Beiträge zu der offiziell organisierten Winterhilfe entsprechend geringer sein müssen. Eine Bekämpfung und möglichst weitgehende Unterdrückung des Bettelunwesens würde sich aber propagandistisch sehr wirkungsvoll für die Sammeltätigkeit zur Winterhilfe auswerten lassen.

Es wird nun ergebendst zur Überlegung anheimgestellt, ob eine Bekämpfung des Bettelunwesens derart organisiert werden kann, daß schlagartig in einer bestimmten Zeitspanne mit ganzem Aufgebot aller Polizeikräfte sämtliche bettelnden Personen angehalten werden können. Diese Festnahme müßte nicht nur die Feststellung ihrer Namen und Wohnungen bezwecken, sondern auch ihrer etwaigen Vorstrafen und vor allem der aus öffentlichen oder privaten Mitteln bezogenen Unterstützungen. Es sind hier Fälle bekannt geworden, in denen berufsmäßige Bettler höhere Einkommen bezogen als Arbeitende. Auf dem Lande wird vor allen Dingen die Bettelei von Lebensmitteln vielfach zum Handel mit der erbettelten Ware benutzt. Außerdem ist offensichtlich, daß besonders unter den verkrüppelten Bettlern eine grössere Anzahl sicher Unfall- oder Kriegsverletztenrenten beziehen müssen.

Voraussetzung für diese ganze Aktion wäre also enge Zusammenarbeit der örtlichen Polizeiorgane und ihrer etwaigen Hilfskräfte mit den zuständigen Wohlfahrtsämtern und den privaten Wohlfahrtsorganisationen. Diesen Stellen müßte es auch zur Pflicht gemacht werden, in den voraussichtlich verhältnismäßig wenigen Fällen, in denen tatsächlich Not zur Bettelei getrieben hat, einzugreifen und die festgenommenen Personen zu übernehmen und zu betreuen.

Es wäre nun dringend erwünscht, wenn die zuständigen Länderministerien mit größter Beschleunigung angewiesen werden können, die in Betracht kommenden Polizeibehörden und Wohlfahrtsorganisationen auf diese Aufgabe zu verweisen. Die oberste Leitung der S.A., SS. und St. werden vor mir gebeten, sich auf Anforderung den örtlichen oder regionalen Polizeibehörden und Wohlfahrtsstellen mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mannschaften und Hilfsmitteln zur Verfügung zu stellen. Der Zeitpunkt der Durchführung müßte möglichst einheitlich angeordnet werden. Am zweckmäßigsten wäre wohl die zweite Hälfte des September, um mit dieser Aktion gleichzeitig die am 1. Oktober beginnenden Aufrufe für die Winterhilfe einzuleiten. Auch die in der N.S. Volkswahrfahrt zusammengefaßten bzw. von ihr geführten Organisationen der freien Wohlfahrtspflege sind entsprechend unterrichtet worden.

Es wird ergebenst gebeten, über die von ihnen verfügten Maßnahmen Mitteilung zu machen, damit die propagandistische Unterstützung der gesamten Aktion rechtzeitig in die Wege geleitet werden kann.

Im Auftrag.
gez. Haegert"

Er vi der igjen?